Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
Die Idee der Kreislaufwirtschaft besteht darin, Produkte, Komponenten und Stoffe länger in der Nutzung zu halten und somit auf der einen Seite die für eine Neuproduktion benötigten Ressourcen einzusparen und andererseits die Menge des Abfalls, der direkt aus der Produktion, aber auch aus den Altprodukten nach der Nutzung resultiert, zu verringern.
Um diese Idee zu unterstützen, hat der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen“ - auch Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) oder kurz Kreislaufgesetz genannt - einen rechtlichen Rahmen geschaffen, der auf Stoffkreisläufe und Ressourcenschonung ausgelegt ist. Neben der Unterstützung des Kreislaufgedankens werden mit diesem Gesetz vor allem auch Widersprüche mit anderen Bundesgesetzen und europäischem Recht - wie z. B. der EGAbfallrahmenrichtlinie - beseitigt. Dazu war es nötig, den Abfallbegriff an die EG-Richtlinie anzupassen und die Subjektivität dieses Begriffes zu reduzieren.
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ist neben dem Gesetz über die Überwachung und Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen ein Artikel des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen und ersetzt das alte Abfallgesetz mit seinen entsprechenden Verordnungen.
Ergänzt und konkretisiert werden die z. T. sehr vage formulierten Bestimmungen dieses Gesetzes durch ein untergesetzliches Regelwerk: Die Regelungen des Europäischen Abfallartenkatalogs (EAKV), der Bestimmungsverordnung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle (BestbüAbfV), der Bestimmungsverordnung überwachungsbedürftiger Abfälle zur Verwertung (BestüVAbfV), der Nachweisverordnung (NachwV), der Verordnung über Abfallwirtschaftskonzepte und Abfallbilanzen (AbfKoBiV), der Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV), der Richtlinie für die Tätigkeit und Anerkennung von Entsorgergemeinschaften und der Transportgenehmigungsverordnung (TgV) fußen alle auf dem KrW-/AbfG.
Zentraler Ansatzpunkt des KrW-/AbfG ist der neue, vorsorgeorientierte Abfallbegriff. Abfälle werden nach dem KrW-/AbRG als bewegliche Sachen definiert - wobei der Begriff ,beweglich` einen juristischen Bewertungsspielraum bietet -, die unter die im Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich der Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß (§ 3 KrW-/AbfG). Ein Entledigungswille wird immer dann angenommen, wenn Stoffe anfallen, ohne daß der Zweck darauf gerichtet ist (z. B. Produktionsabfälle, zum Teil auch Ab-, Neben- oder Kuppelprodukte, sofern keine neue Verwendung erkennbar ist) oder die ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne daß ein neuer Verwendungszweck existiert. Ein Entledigungszwang besteht immer dann, wenn von den Stoffen, die nicht mehr zweckgebunden verwendet werden, heute oder in der Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit, insbesondere für die -Umwelt ausgeht.
Dieser neue Abfallbegriff umfaßt somit auch alle Stoffe, die bisher als vermeintliche Wirtschaftsgüter frei handelbar waren; die rechtliche Trennung von Abfall, Rest- und Wertstoffen entfällt. Der Gesetzgeber hat mit dieser Definitionsänderung den subjektiven Entscheidungsspielraum der Abfallbesitzer eingegrenzt und gleichzeitig Schlupflöcher geschlossen, indem er die Anzahl der Stoffe, die unter das strengere Abfallgesetz fallen, drastisch erhöht hat. Leider ist mit dieser Änderung auch ein wesentlicher Nachteil verbunden. Mit der negativen Belegung des Begriffes Abfall im allgemeinen Sprachgebrauch bekommen nun auch Rest- bzw. Wertstoffe, die jetzt Abfälle zur Verwertung darstellen, ein Negativimage; der Einsatz von Abfällen in neuen Produkten ist schwieriger zu kommunizieren als der Einsatz von Wertstoffen.
Das Entledigen sieht als zwei Ausprägungen die Verwertung und Beseitigung vor: es wird unterschieden in Abfälle zur Verwertung und Abfälle zur Beseitigung, um so die Abfälle in die Gruppe der verwertbaren Reststoffe und der nicht verwertbaren Abfälle im klassischen Sinn differenzieren zu können.
Die Grundsätze einer abfallarmen Kreislaufwirtschaft werden konkretisiert, wobei die Prioritätenfolge Vermeiden-VerwertenBeseitigen eindeutig festgeschrieben wird (§ 4 Abs. 1 KrW-/AbfG). Die Abfallvermeidung ist zwar kein Merkmal einer Kreislaufwirtschaft, ist aber dennoch die Option eines nachhaltigen Wirtschaftens. Die Maßnahmen zur Vermeidung sind dabei die anlageninterne Kreislaufführung (als eine Möglichkeit des produktionsintegrierten Umweltschutzes) und die abfallarme Produktgestaltung, die Einfluß auf die Produktentwicklung, - konstruktion und -planung nimmt. Auch spricht das Gesetz die Konsumenten an, deren Verhalten auf den Erwerb abfall- und schadstoffarmer Produkte gerichtet sein soll (§ 4 Abs. 2 KrW-/AbfG).
Die Verwertung hat Vorrang vor der Beseitigung, sofern dieses technisch und wirtschaftlich zumutbar ist. Bei der Verwertung sieht das Gesetz die gleichrangigen Optionen der stofflichen und der energetischen Verwertung vor; unter diesen beiden Handhabungsarten hat die ökologisch bessere Vorrang (§ 6 Abs. 1 KrW-/AbfG). Die energetische Verwertung ist im Gegensatz zur stofflichen an bestimmte Kriterien (ein Heizwert der einzelnen Abfallart von mindestens 11.000 kJ/kg Abfall, ein Feuerungswirkungsgrad von mindestens 75%) gekoppelt, für nachwachsende Rohstoffe jedoch gelten dabei wesentliche geringere Anforderungen (§ 6 Abs. 2 KrW-/AbfG). Die stoffliche Verwertung tritt in drei Formen auf (§ 4 Abs. 3 KrW-/AbfG):
Gewinnung sekundärer Rohstoffe aus den Abfällen und Substitution primärer Rohstoffe.
Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle für den ursprünglichen Zweck, z. B. der Einsatz von Austauschmotoren nach erfolgter Aufarbeitung oder der Einsatz von Altglas für die Neuglasproduktion.
Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle für einen anderen Zweck. Diese Nutzung schließt explizit die Energierückgewinnung aus und führt darüber hinaus in der Regel zum Downcycling, wie etwa die Nutzung von Joghurtbechern für Parkbänke.
Die Regelungen der -Abfallbeseitigung sind weitaus weniger präzise als die Punkte der Vermeidung und Verwertung. Lediglich in den Fällen, in denen die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung darstellt (§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG), werden unter der Berücksichtigung des Gemeinwohls und dem Stand der Technik Anforderungen an die Abfallbeseitigung gestellt (§ 11 f. KrW/AbfG), die durch Verordnungen und Verwaltungsvorschriften konkretisiert werden sollen.
Der Unterschied zwischen einer Verwertung und einer Beseitigung kann dabei durchaus fließend sein (z. B. die energetische Verwertung und Verbrennung von Abfällen).
Das Abgrenzungskriterium ist der Hauptzweck der jeweiligen Handhabungsarten: Während der Hauptzweck der Verwertung in der Nutzung des Abfalls liegt und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials ist der Hauptzweck der Beseitigung in der Reduzierung des Abfallvolumens und des Schadstoffpotentials zu sehen.
Um die Idee der Kreislaufwirtschaft umzusetzen, wird das -Verursacherprinzip angewendet: Negative externe Effekte der Produktion werden so als ökonomische Nachteile internalisiert. Die Produzenten und Besitzer von Abfällen sind im Grundsatz zur Verwertung und Beseitigung verpflichtet (§ 5 Abs. 2 KrW-/AbfG). Sie können sich zur Erfüllung dieser Pflicht der Dienste Dritter bedienen (§ 16 ff. KrW-/AbfG). Damit werden in diesem Gesetz Anreize für privatwirtschaftliche Kooperationen zur Verwertung und Beseitigung geschaffen, wie z. B. diagonale (Entsorgungsnetzwerke von Unternehmen unterschiedlicher Branchen), horizontale (Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen der gleichen Branche) und vertikale Kooperationen (Zusammenarbeit der Produzenten mit Entsorgungsunternehmen). Um jedoch einen unsachgemäßen Umgang mit diesen Abfällen zu verhindern, ist die Abfallüberlassung besonders geregelt. So muß bei einer Beauftragung eines Dritten dessen Zuverlässigkeit nachgewiesen werden, was in der Regel durch eine Zertifizierung des Entsorgers geschieht (§ 52 KrW-/AbfG und EfbV). Dabei ist der Dritte nur der Erfüllungsgehilfe, die abfallrechtliche Verantwortung verbleibt beim Abfallerzeuger.
Abweichend davon, sind Abfälle aus Privathaushalten weiterhin den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen, wenn die Privathaushalte die Abfälle nicht selbst ordnungsgemäß verwerten oder beseitigen können, wenn eine Verwertung nicht beabsichtigt wird oder wenn keine überwiegenden öffentlichen Interessen eine Überlassung erfordern. Die Überlassungspflicht gilt insbesondere nicht bei Abfällen, für die eine Rücknahme- oder Rückgabepflicht (im Sinne der Produktverantwortung, § 24 KrW-/AbfG) besteht. Um hierbei einen sach- und ordnungsgemäßen Umgang mit den Abfällen sicherzustellen, sind im KrW/AbfG eine Reihe von weiteren Vorschriften, die das Interesse der Überwachungsbehörden aber auch der Öffentlichkeit befriedigen sollen, festgeschrieben. Neben der Zertifizierungspflicht für Entsorgungsunternehmen sind dies vor allem Mitteilungspflichten über die Betriebsorganisation und die Abfallbeauftragten (§§ 53 ff. KrW-/AbfG) sowie das Aufstellen von Abfallwirtschaftskonzepten und -bilanzen.
Das Abfallwirtschaftskonzept (§ 19 KrW/AbfG) des Erzeugers soll als internes Planungsinstrument fungieren und als Grundlage einer behördlichen Abfallwirtschaftsplanung dienen. Das Abfallwirtschaftskonzept soll zusammen mit der Abfallbilanz (§ 20 KrW-/AbfG) zu einem Soll-Ist-Vergleich der betrieblichen Abfallsituation führen. Das Abfallwirtschaftskonzept befaßt sich primär mit den in der Zukunft anfallenden Abfällen, wogegen die Abfallbilanz nur die in der Vergangenheit erzeugten Abfällen berücksichtigt. Sowohl das Wirtschaftskonzept als auch die Bilanz können durch einen von den Behörden bestellten Sachverständigen überprüft werden.
Das angesprochene Verursacherprinzip findet seine Umsetzung in der in den §§ 22 ff. KrW-/AbfG festgeschriebenen Produktverantwortung. Wer Produkte entwickelt, herstellt, be- und verarbeitet oder vertreibt, trägt zur Erfüllung der Ziele der Kreislaufwirtschaft die Produktverantwortung für die gesamte Produktnutzungsdauer. Dazu sind die Produkte so zu konstruieren und herzustellen, daß bei der Produktion und der Nutzung die Entstehung von Abfällen möglichst vermieden wird und nach der Nutzung eine umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung sichergestellt ist. Die Produkte sollen mehrfach verwendbar, technisch langlebig, reparaturfreundlich und schadstoffarm sein. Dabei wird ein vorrangiger Einsatz von verwertbaren Abfällen oder sekundären Rohstoffen angemahnt, die Erzeugnisse sind mit einem Hinweis auf Rückgabe-, Wiederverwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten bzw. -pflichten zu versehen und insbesondere schadstoffhaltige Erzeugnisse sind für eine bessere Verwertung und Beseitigung zu kennzeichnen.
Um die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu erreichen, ist die Rücknahme- und Rückgabepflicht für Produkte ein zentrales Element der Produktverantwortung. Zurückgenommene Produkte und der nach dem Gebrauch verbleibende Abfall sind umweltverträglich zu verwerten oder zu beseitigen. Die exakte Ausgestaltung der Produktverantwortung kann durch Rechtsverordnungen erfolgen, die insbesondere die Verbote, Beschränkungen und Kennzeichnungen (§ 23 KrW-/AbfG) und die Modalitäten der Rücknahme- und Rückgabepflichten, der Abfallüberlassung und der Kostentragung (§ 24 KrW-/Abft) festlegen. Solche Verordnungen sind in einigen Bereichen schon umgesetzt worden bzw. eine Umsetzung steht in naher Zukunft bevor (Verordnungen für Altautos, Altpapier, Batterien, Elektronikschrott und Verpackungen). In diesem Zusammenhang kommt den Selbstverpflichtungen der Industrie eine entscheidende Rolle zu. Falls durch die Selbstverpflichtung bei vertretbarem Aufwand die Erreichung ökologischer Ziele gewährleistet ist, kann auf die Durchsetzung administrativ festgelegter Verordnungen verzichtet werden.
Die stärksten Auswirkungen auf die Unternehmen resultieren aus der Produktverantwortung. Zum einen werden Ansätze der Produkthaftung auf den Abfallbereich übertragen und beeinflußen somit die Risikosituation der Unternehmen. Zum anderen werden über die Rücknahme- und Verwertungspflichten bisher externe Kosten internalisiert. Durch die Produktverantwortung gerät der gesamte Lebenszyklus in den Mittelpunkt der Planung. Dazu ist es notwendig, die bisher auf die innerbetrieblichen Leistungsprozesse ausgerichtete Planung (Beschaffung, Produktion, Absatz) integrativ um die Aspekte der Nutzung, Verwertung und Beseitigung zu erweitern; der allgemeine Trend zu einer funktionsübergreifenden Planung wird dadurch noch gestärkt. Auch wird die Planung zunehmend strategischer, da die Produkte, die heute geplant, produziert oder verkauft werden in der Zukunft Kosten und Planungsaufwand zeitigen. Die Planung muß im Sinne dieses Gesetzes strategisch auf Abfallvermeidung und -rückführung ausgerichtet sein. Wesentlichen Einfluß auf die Abfallsituation nehmen vor allem die Planungsbereiche der Beschaffung und der Konstruktion.
Die Wahl der Einsatzstoffe hat erhebliche Konsequenzen für die Langlebigkeit der Produkte sowie für das Abfall- und Schad-stoffpotential in der Produktions-, Nutzungsund Entsorgungsphase. In der Beschaffung muß deshalb darauf geachtet werden, daß dieses Potential sowohl quantitativ (mengenmäßig) als auch qualitativ (Schadstoffinhalte) reduziert wird. Sind Sekundärrohstoffe, Einzelteile oder komplette Komponenten am Markt oder im eigenen Stoffkreislauf (aus Produktionsabfällen oder zurückgenommenen Altprodukten) vorhanden, so sind bevorzugt diese Stoffe einzusetzen. Der ökologische Vorteil des Einsatzes von Sekundärrohstoffen darf allerdings durch ein schlechteres Abfall- und Schadstoffverhalten nicht überkompensiert werden. Deshalb sind besondere Anforderungen an die sekundären Einsatzstoffe zu stellen:
Rohstoffe, Teile und Komponenten müssen in ausreichender Anzahl und zu den richtigen Zeitpunkten verfügbar sein.
Der Rohstoff muß genau beschrieben sein (z. B. chemisch-physikalische Zusammensetzung), um eventuelle Verwendungsmöglichkeiten zu überprüfen. Bei Baugruppen ist es notwendig deren Einzelteile, bzw. die Eigenschaften des Ganzen zu kennen.
Die Qualität wiederzuverwendender Stoffe und Teile hängt eng mit ihrer Belastbarkeit und damit der Einsetzbarkeit zusammen. Als Qualitätsdaten müssen chemische und physikalische Einzelheiten von Stoffen sowie der Zustand von Baugruppen und Teilen bekannt sein. Beispielsweise muß bei der Verwendung von Altpapier grundsätzlich ein gewisser Anteil von Primärrohstoffen zugesetzt werden, weil sich die Zellstoffasern mit jedem Kreislauf verkürzen. Ohne den Zusatz längerer Fasern würde das Papier keine hinreichende Festigkeit bieten. Für die Rohstoffbeschaffung ist es insofern auch wichtig, über die Wiederholbarkeit des Aufarbeitungsprozesses informiert zu sein.
Im Zusammenspiel zwischen Beschaffung und Produktentwicklung muß vor allem die Frage geklärt werden, ob die Sekundärrohstoffe den Einsatzbedingungen entsprechen, ohne daß die daraus resultierenden Produkte marktrelevante Qualitätsmängel aufweisen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß in Deutschland bisher kein Produkt als neuwertig verkauft werden darf, das gebrauchte Einzelteile oder Komponenten enthält. In produktbezogenen Forschungs- und Entwicklungsprozessen müssen für verwertbare Abfälle ggf. neue Einsatzmöglichkeiten gefunden werden.
Die heutigen Konstruktionskriterien für Produkte wie Handhabungs-, Kosten-, Funktions-, Norm-, Montage-, Fertigungs- und Qualitätsgerechtheit müssen durch Kriterien wie Rückführungs-, Demontage-, Recycling-, Vermeidungs-, Verwertungs-, Beseitigung,-, Umwelt- und Wartungsgerechtheit ergänzt werden. Diese Kriterien müssen schon bei der Entwicklung beachtet werden, da nachträgliche Änderungen technisch nicht mehr oder nur mit hohen Kosten durchführbar sind. Die Bedeutung der Entwicklungsphase resultiert daraus, daß das gesamte Leistungs- und Kostenprofil eines Produktes zu mehr als zwei Dritteln durch seine Konstruktion bereits festgelegt wird. Hierzu ist insbesondere abzuschätzen, wie sich in der Zukunft die Verwertungsmöglichkeiten, die Demontage- und Recyclingtechnik und das gesetzliche Regelwerk verändern werden.
In der Entwicklung sollte daher das Planungsinstrument des Life-Cycle-Engineering verstärkt zum Einsatz kommen. Bei der Konstruktion sollte der Rohstoffeinsatz sowohl qualitativ (Werkstoffvielfalt) als auch quantitativ (Werkstoffmenge) deutlich reduziert werden. Dies kann geschehen, indem nur noch wenige, „erprobte“ Materialien oder Standardteile eingesetzt werden bzw. die Produkte verkleinert werden. Diese Dematerialisierung, also Senkung der Masse eines Produktes, verringert die Abfallströme und gleichzeitig die darin enthaltenen toxischen Ströme.
Als wesentliches Konstruktionsmerkmal ist die Demontagegerechtheit der Produkte zu nennen; sie beeinflußt die anderen Konstruktionskriterien entscheidend. Zu ihr gehören die modulare Bauweise, die Verwendung reversibler Verbindungen und der Einsatz von Standardteilen. Die Demontage erlaubt zum einen am Ende der Lebensdauer eine effiziente Trennung von Teilen und Baugruppen aus dem Produktverbund, zum anderen gewährleistet eine demontagefreundliche Bauweise eine leichte Eingriffsmöglichkeit für Instandhaltungen und technische Hochrüstungen während der Nutzung. Beides wird z. B. durch leicht lösbare Verbindungstechniken wie Steckverbindungen sowie durch eine Kennzeichnung der Materialien gefördert.
Die Produktion wird im wesentlichen durch die Beschaffung und Konstruktion determiniert. Insofern ist eine enge Abstimmung der drei Bereiche notwendig. So ist zu überprüfen, ob eine aus Beschaffungs- oder Konstruktionssicht sinnvolle Entscheidung auch in der Produktion umgesetzt werden kann. Auch muß abgewägt werden, ob Einsatzstoffe, die zwar ökologisch sinnvoll sind, deren Verarbeitung aber mit einer sehr energieintensiven Produktionstechnologie verbunden ist, vertretbar sind. Von den Einsatzstoffen und konstruktiven Merkmalen ist es auch abhängig, ob die in § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG geforderte anlageninterne Kreislaufführung mit sog. Clean Technologies umgesetzt werden kann. Werden Sekundärrohstoffe oder aufgearbeitete Komponenten eingesetzt, so ist in der Produktionsplanung insbesondere die zeitliche und mengenmäßige Bereitstellung zu berücksichtigen. Werden diese Inputfaktoren aus den eigenen Stoffkreisläufen gewonnen, so ist zusätzlich eine Abstimmung von Produktions- und Recyclingplanung erforderlich.
In der Regel wird jedes Produkt nach der Nutzung zu Abfall. Aus diesem Grund fordert der Gesetzgeber die Produktion von Langzeitprodukten (§ 22 Abs. 1 I KrW-/ AbfG). Durch den Einsatz langlebiger Materialien, Maßnahmen der Instandhaltung oder der technischen Hochrüstung kann die herkömmliche Nutzungsdauer von Produkten deutlich erhöht werden. Diese verlängerte Produktlebensdauer impliziert, daß die Güter länger gebraucht und somit seltener vom Nutzer ersetzt werden. Verdeutlichen läßt sich die Strategie an folgendem Rechenbeispiel: Bei einer Verdopplung der Nutzungsdauer werden ceteris paribus nur noch rund 50% der vorher nachgefragten Neuprodukte und somit auch die zur Herstellung notwendigen Materialien in einer Periode benötigt. Gleichzeitig fällt auch nur noch rund 50% der Abfallmenge pro Periode an. Insofern wird eine Verlangsamung der Ressourcen-ströme erreicht, was zu weniger Abfall und einem geringeren Ressourceneinsatz pro Periode führt.
Durch die Konzeption des Produktes als System (modularer Aufbau) wird es für den Nutzer möglich, während der Gebrauchsphase sämtliche Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Weiterhin soll die Langlebigkeit aber nicht dazu führen, daß der technische Fortschritt unberücksichtigt bleibt. Eine Modulbauweise erlaubt einen leichten Ausbau von Baugruppen und den Austausch durch weiterentwickelte Komponenten. Somit kann das System „Produkt“ in Grenzen dem aktuellen Stand der Technik angepaßt werden, ohne daß ein Systemwechsel durchgeführt werden muß. Dies hat eine gesteigerte Ressourceneffizienz zur Folge und führt dazu, daß die Unternehmen ihre Forschung auf die Entwicklung von Modulen konzentrieren können.
Um vorzeitige Ersatzkäufe und damit verkürzte Gebrauchszeiten durch den Konsumenten zu verhindern, müssen Meßmethoden zur Bestimmung des Qualitätszustandes von Produkten und Komponenten angeboten werden, denn häufig sind die Nutzer über den technischen Zustand ihres Produktes nicht informiert und neigen im Zweifel dazu, das Produkt zu ersetzen. Die Qualitätskontrolle ermöglicht die Vermeidung einer zeitlichen Unternutzung von Produkten, indem sie eine Bestimmung des technischen Ist-Zustandes während des Gebrauches gestattet.
Mit dem Ersatzteilgeschäft, der technischen Aufrüstung und den Qualitätskontrollen können die Produzenten Dienstleistungsangebote schaffen und neue Geschäftsfelder eröffnen, mit denen die wirtschaftlichen Nachteile einer Nutzungsdauerverlängerung kompensiert werden können. Schließlich bedeutet eine Verlangsamung der Mengenströme und die dadurch induzierte Verringerung der Produktions- und Absatzmengen eine reduzierte Produktumschlaggeschwindigkeit bzw. -häufigkeit, verschlechterte Erfahrungskurveneffekte und natürlich geringere Umsätze. Ein weiterer Dienstleistungsbereich in diesem Zusammenhang wäre z. B. das Leasing, bei dem nicht der Produkt-, sondern der Nutzungsverkauf im Vordergrund steht.
Unabhängig von der Lebensdauer erfordern die Rückgabe- und Rücknahmepflichten geeignete Rückführungssysteme. Die bisher stark auf die Distribution ausgelegte Logistik ist um die Aspekte der Entsorgung und der Redistribution zu erweitern (§ 4 Abs. 5 KrW/AbfG). Dabei ist die Frage zu klären, wie geeignete Systeme vor allem bei der Abfall-bzw. Altproduktsammlung (z. B. Pfandsysteme, Sammelstellen) aussehen und ob (in Abstimmung mit der Konstruktion) die bestehenden Distributionssysteme für die Rückführung genutzt werden können. Neben den außerbetrieblichen Logistikleistungen ist auch die innerbetriebliche Logistik anzupassen; so müssen -Recycling, Demontage und Produktion geeignet miteinander verknüpft werden. Eine besondere Aufgabe kommt in diesem Zusammenhang den Informationssystemen zu, die innerbetrieblich die einzelnen Produktions- und Recyclingbereiche sowie den Anfall von Produktionsabfällen betrachten müssen und außerbetrieblich nicht mehr nur den Neuproduktbedarf, sondern explizit auch den Altprodukt- bzw. Abfallanfall zu berücksichtigen haben.
Die durch die Produktverantwortung veränderte Risikosituation schlägt auch auf die indirekten Unternehmensbereiche durch. So ist zu überprüfen, ob sich durch die Rücknahmepflicht Rückstellungen für die Rückführung und Entsorgung begründen lassen. Das Controlling steht vor einer veränderten wirtschaftlichen Situation und muß ggf. für die neuen Aufgaben geeignete Kennzahlen bereitstellen. Die Wirtschaftlichkeit von Investitionsprojekten hängt nun von zusätzlichen Sachverhalten (z. B. Rückführung, Umweltverträglichkeit und Entsorgung) ab, die alle ein erhebliches Unsicherheitspotential besitzen. Die erweiterten Aufgabenstellungen und die daraus resultierenden Kosten-und Erlöswirkungen verändern die wirtschaftliche Situation. Die dargestellten neuen Planungsschritte erfordern ggf. erweiterte Planungs-, Management- und Informationskapazitäten. Auch müssen neue Logistiksysteme, Demontage-, Recycling- und Produktionstechnologien implementiert werden. Für die Sammlung, den Transport und ggf. die Lagerung von Rückständen und Altprodukten sind Kapazitäten bereitzustellen. Die Kosten, die für diese Aktivitäten anfallen, haben Gemeinkostencharakter, d. h., das Problem der Kostenverrechnung wird sich verstärken. Auch die Kosten des Recycling, der Aufarbeitung und der Demontage bereiten Probleme, da sie jeweils nur dem Input, aber nicht dem Output - also den Sekundärrohstoffen bzw. Komponenten - zugerechnet werden können. Die zu beseitigenden Stoffe verursachen direkte Entsorgungskosten. Falls die Verwendung von Sekundärrohstoffen zu verminderten Erlösen infolge geringerer Marktgängigkeit der Produkte führt, müssen diese entgangenen Erlöse als Opportunitätskosten angelastet werden.
Eine direkte Zurechnung von Erlösen ist häufig nicht möglich, da viele der aus den Abfällen gewonnenen Stoffe nicht zum Verkauf kommen. Nur für den Fall einer direkten Weiterveräußerung können Sekundärrohstoffmengen mit Verkaufspreisen bewertet werden. In der Regel sind hier Opportunitätserlöse anzusetzen, d. h., die durch ein Recycling eingesparten Kosten können als Erlöse berücksichtigt werden. In Frage kommen hierfür bspw.:
eingesparte Kosten für die Entsorgung der Rückstände in Form von Transportkosten, Deponiegebühren und Abgaben für Sondermüll;
eingesparte Energiekosten bei der Produktion (bei der Glasproduktion ist je 10% Altglasanteil eine 2%-ige Energieeinsparung zu verzeichnen) bzw. der thermischen Rückstandsverwertung;
eingesparte Beschaffungskosten durch die Substitution von Primär- durch Sekundärrohstoffe (wobei Materialeinsparungen direkt den Aufarbeitungskosten gegenzurechnen sind).
Diese vielfältigen, neuen Aufgaben können die Unternehmen intern, aber auch unternehmensübergreifend durchführen. Die im KrW-/AbfG gelegten Anreize für Kooperationen bei der Rücknahme (§ 16 ff. KrW/AbfG) lassen sich auch auf die anderen Planungsbereiche übertragen. Unternehmensübergreifende Lösungen haben dabei den Vorteil der Arbeitsteilung und Spezialisierung. So können bestehende Systeme bei anderen Unternehmen oder auf anderen Wertschöpfungsstufen mitgenutzt werden. Bei der Altproduktrücknahme bietet es sich bspw. an, die Händler als Sammelstellen zu nutzen, da sie den direkten Kontakt zum Konsumenten und in der Regel auch (geringe) Lagerkapazitäten besitzen. Die bestehende Logistik kann dann zur Redistribution genutzt werden. Auch hier bieten sich kooperative Lösungen an, wie sie im Bereich der City-Logistik und Warenverkehrs- bzw. -verteilzentren schon realisiert wurden. Bei der Verwertung kann es durchaus sinnvoll sein, bestimmte Materialien untereinander auszutauschen, um die für neue Recyclingtechnologien notwendigen kritischen Mengen realisieren zu können. Die Kooperationen können zwischen verschiedenen Wertschöpfungsstufen, zwischen konkurrierenden und auch branchenfremden Unternehmen bestehen. Gerade wenn für zu verwertende Abfälle noch keine Wiederverwendungsmöglichkeiten existieren, lohnt ein Blick in andere Wirtschaftsbereiche - die Existenz von Reststoffbörsen der Industrie- und Handelskammern und anderer Wirtschaftsverbände sowie von Entsorgungsnetzwerken sind ein Indiz dafür. Allerdings sind alle Kooperationsformen in Hinblick auf wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen kritisch zu hinterfragen.
Neben den positiven Implikationen durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz gibt es auch einige kritische Elemente, die nicht vernachlässigt werden sollen.
Das KrW-/AbfG definiert sowohl die zu beseitigenden als auch die zu verwertenden Sachen als Abfall. Diese Unterscheidung wird zwar dem gesetzlichen Regelwerk gerecht, doch stiftet sie im Wirtschaftsleben ein nicht unerhebliches Imageproblem. Der Einsatz von Abfällen wird vom Konsumenten - rein umgangssprachlich - negativer bewertet als der Einsatz von Wertstoffen, ungeachtet der Tatsache, daß es sich physisch um den gleichen Rohstoff handelt.
Selbst bei geschlossenen Stoffkreisläufen wird auch künftig nicht auf die Beseitigung von Abfällen verzichtet werden können. Dieses liegt zum einen daran, daß Verwertungsmöglichkeiten zum Teil nicht existieren bzw. nur durch unzumutbar hohen Aufwand (Kosten, Energie) erreicht werden können oder daß einzelne Rohstoffe nach einer endlichen Zahl von Recyclingdurchläufen nicht mehr eingesetzt werden können (Downcycling). Innerhalb des Downcycling, aber auch grundsätzlich beim Versuch, die Abfallmengen zu reduzieren, kommt es tendenziell zu einer Erhöhung der Schadstoffkonzentrationen, was letztlich zu erhöhten Kontrollen im Sinne des Gesetzes und zu einer technisch und wirtschaftlich aufwendigeren Entsorgung führen kann.
Der Gesetzgeber hat darüber hinaus mit der Konstruktion des KrW-/AbfG als Rahmengesetz sehr viel Spielraum für die Konkretisierung einzelner Bestimmungen durch Rechtsverordnungen gelassen, z. B. bei den Kennzeichnungs- und Rücknahmepflichten. Neben den rechtsstaatlichen Bedenken gegen solche Konstrukte, resultiert daraus ein nicht unerhebliches Unsicherheitspotential für die Unternehmen. Gerade bei der strategischen Ausrichtung der Planung - bedingt durch z. T. sehr lange Nutzungsdauern - kommt somit der Berücksichtigung des Risikos und der Früherkennung eine neue, besondere Rolle im unternehmerischen Planungsprozeß zu.
Weiterführende Literatur: Gesellschaft für Umweltrecht: Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Was ändert sich? Dokumentation, Berlin 1997; v. Köller, H.: Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Textausgabe mit Erläuterungen, 2. Aufl., Berlin 1996; Piichert, H.l Spengler, T./ Rentz, 0.: Techno-ökonomische Auswirkungen rechtlicher Anforderungen an die zukünftige Kreislauf- und Abfallwirtschaft genehmigungsbedürftiger Anlagen, in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht (ZfU), 20. Jg., Heft 1, o. 0., 1997; Wagner, G. R./ Matten, D.: Die unternehmerische Bedeutung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 24. Jg., Heft 11, o. O. 1995.
Kuppelprodukte1sind produktionsprozeßbedingt anfallende Nebenprodukte.
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